Chromleder-Fakten

Bei der Beurteilung verschiedener Lederarten wird vor allem von Vertretern der chromgerbenden Industrie gern eingefordert, dass alle Aspekte der Lederherstellung in Betracht gezogen werden müssen. Richtig, finden wir.

Deshalb bemühen wir uns im Zusammenhang mit der vegetabilen Gerbung, die wir einsetzen, seit Jahren um bestmögliche Transparenz. In der Bilanz der Chromgerbung fehlen regelmäßig einige wichtige Puzzleteile, um ein aussagekräftiges Gesamtbild zu erkennen.

Einige problematische Gesichtspunkte der Chromgerbung kommen in der Diskussion um diese Gerbart nur unzureichend zur Sprache. Zur Vervollständigung der Betrachtung haben wir einen Überblick über Fakten und Problemfelder im Zusammenhang mit Chrom und der Chromgerbung erstellt.

Hier eine unabhängige Beurteilung über Chromleder vom Landesverband Sachsen-Anhalt (VLSA): www.lebensmittel.org/aktuelles/monatsartikel/471-monatsartikel40.html

SCHWERMETALL-CHROM

Das Schwermetall Chrom existiert in verschiedenen Oxidationsstufen, die u. a. darüber entscheiden, wie das Element in der Umwelt wirkt. Diese Stufen verändern sich in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen.

Das Element Chrom gehört zur Gruppe der Schwermetalle. Es kann in verschiedenen Oxidationsstufen zwischen -2 und +6 auftreten. Die wichtigsten Oxidationszustände sind +3 und +6. Dreiwertiges Chrom stellt unter „Normalbedingungen“ die stabilste Oxidationsstufe dar. Wichtige Chrom-Verbindungen sind Chrom(III)-chlorid, Chrom(III)-oxid, Chrom(VI)-oxid und Chrom(III)-hydroxid, außerdem Chromate. Viele Chrom-Verbindungen weisen eine charakteristische Färbung auf. Ungefärbtes, chromgegerbtes Leder hat eine blau-graue Farbe.

Der Chromanteil in der Erdkruste liegt bei ca. 0,005 % Gewichtsprozent (83 μg/g). In der oberen Erdkuste zählt es zu den häufigsten Elementen. In der Natur kommt Chrom selten in Reinform vor. Meist findet man es in Verbindung mit Eisen, Aluminium oder Blei. Die Schätzungen der weltweiten Chromreserven schwanken zwischen einer und sieben Milliarden Tonnen. Im industriellen Maßstab wird Chrom fast ausschließlich als Chromit − auch Chromeisenstein (Cr2O3 • 2 FeO) − gewonnen, einem grauen Mineral aus Eisenoxid und Chrom(III)-oxid in unterschiedlichen Verhältnissen. Chromit enthält in seiner höchsten Qualität 55 % Cr2O3. Viele abbauwürdige Chromvorkommen liegen in Ländern, in denen großflächige Bergbauprojekten immer wieder massive ökologische und soziale Probleme verursachen.

In 2008 wurden weltweit ca. 24 Mio. Tonnen Chromit gefördert. Davon gingen ca. 2 % in die chromchemische Verarbeitung, u. a. als Chromsulfat für die Gerbstoffenproduktion, aber auch in die Farbstoff- und Kunststoffherstellung. Der größte Teil, ca. 95 % des Chromits, wurde in der Metall verarbeitenden Industrie eingesetzt. Die wichtigsten Chromlagerstätten befinden sich in Südafrika (38 %), Indien (20 %), Kasachstan (15 %), Türkei (7 %), Russland (3 %), Brasilien (3 %), Finnland (2 %), Zimbabwe (3 %) und andere Ländern (9 %).

CHROMABBAU

Die Förderung des Chromits wird oft von großen Konzernen oder Konsortien betrieben. Das weltweit größte Vorkommen im Westen Limb nahe der Stadt Northam (Südafrika) wird seit 2008 von einem deutsch-südafrikanischen Konsortium ausgebeutet. Chromit wird sowohl im Tagebau als auch im Untertagebau in geringen Tiefen abgebaut. In vielen Ländern, in denen Chrombergbau betrieben wird, sind große Teile der Bevölkerung sehr arm. Hinzu kommt zum Teil, dass politischen Systemen von Korruption, autoritärer Regierungsführung, mangelnder Rechtsstaatlichkeit und einem schlecht oder gar nicht funktionierenden Sozialwesen gekennzeichnet sind.

Menschenrechtsorganisationen machen immer wieder auf ökologische und soziale Probleme aufmerksam, die im Zusammenhang mit großen Bergbauprojekten auftreten: Ökologische Zerstörung ganzer Landstriche vor allem bei Tagebauprojekten, Grundwasserabsenkung und Vergiftung von Oberflächengewässern, Enteignung und Vertreibung der ansässigen, einheimischen Bevölkerung, miserable Arbeitsbedingungen und mangelhafter Arbeitsschutz für die Mitarbeiter in den Bergbauminen.

Im Aufbereitungsprozess des Chroms bis zum Gerbstoff wird viel Boden bewegt und viel Energie verbraucht. Bei der Förderung von Chromit werden neben dem Erz auch große Mengen tauben, nicht erzhaltigen Gesteins abgebaut, von dem das Chromit vor der Weiterverarbeitung befreit werden muss. Mit jeder Tonne Erz fallen bis zu fünf Tonnen Abraum an. Um das Chromit in Chromgerbstoff zu verwandeln, durchläuft es einen aufwändigen Verfahrensweg: Die löslichen Chromverbindungen werden bei Temperaturen von ca. 1000° C vom Eisen getrennt, mit Schwefelsäure behandelt und in Natriumdichromat (Na2Cr2O7) umgewandelt. Durch Reaktion in schwefelsaurer Lösung oder mit Schwefeldioxid und Soda wird daraus Chromsulfat, das Gerbereien als Chromgerbmittel einsetzen. Jährlich werden weltweit etwa 480.000 Tonnen Chromgerbstoffe produziert.

LEDERGERBUNG

Moderne Technik kann in der Lederindustrie Energie, Rohstoffe und Abfälle sparen helfen. Nur kommt diese Technik in den ärmeren Herstellungsländern oft nicht zur Anwendung. Die Ledergerbung mit Chrom wird seit dem 19. Jahrhundert betrieben. Heute werden 85-90 % der weltweiten Lederproduktion, insgesamt etwa 24 Mrd. Quadratfuß (in 2007), mit Chrom gegerbt. Gerbend ist dabei nur das dreiwertige Chrom. Jedoch sind je nach Qualität der Gerbstoffe Verunreinigungen mit giftigem Chrom(VI) möglich.

Bei der konventionellen Chromgerbung wird mehr Chromgerbstoff zur Gerbbrühe zugesetzt als für den unmittelbaren Gerbvorgang nötig ist. So werden etwa 30 % – 50 % des Gerbstoffes nicht vom Leder gebunden und gelangen in die so genannte Restflotte, die nach dem Gerben übrig bleibende Flüssigkeit. Teilweise kann das Chrom hieraus wieder zurück gewonnen werden. Doch ein Rest von 5-6 kg Chrom pro Tonne Rindshäute wird mit dem Abwasser “entsorgt”. Es landet im besten Falle – wenn eine gut funktionierende Kläranlage vorhanden ist – im Klärschlamm, im schlechteren Fall in einem Gewässer.

In modernen, so genannten hochauszehrenden Chromgerbverfahren wird Chrom in einer modifizierten Form eingesetzt. Aus diesem Gerbstoff wird Chrom bis zu 95 – 97 % an das Leder gebunden. Das Abwasser wird geringer belastet. Eine gut kontrollierte, verlässliche Prozessführung und Abwasserbehandlung, wie sie in den meisten europäischen Gerbereien anzunehmen ist, kann die Wasserbelastung durch Chromgerbung begrenzen. Jedoch ist dies leider nicht bei allen Gerbereien weltweit der Fall, wie Untersuchungen von Umweltorganisationen zeigen (siehe unten) .

GESUNDHEIT

Chrom ist nicht gleich Chrom: Das sechswertige Chrom ist hochgiftig und krebserregend. Beim dreiwertigen Chrom sind kleinste Mengen gesundheitsfördern, größere Mengen jedoch schädlich für die Gesundheit. Die gesundheitliche Wirkung von Chrom hängt von seiner Wertigkeit und seiner Konzentration ab. Chrom(III)-Verbindungen haben eine geringe Toxizität, weil sie vom Körper schlecht aufgenommen werden können. Hingegen sind Chrom(VI)-Verbindungen sehr giftig.

Chrom(III) gilt als essentielles Spurenelement. In sehr geringen Mengen ist es für den Menschen lebensnotwendig. Chrom(III) wirkt auf den Zucker- und den Fettstoffwechsel. Es kann verhindern, dass sich Blutfette, Thromben, Bindegewebe und Kalk in den Gefäßwänden ablagern. Außerdem hat es eine positive Wirkung bei Diabetes gezeigt. Die empfohlene Aufnahmemenge von Chrom(III) über die Nahrung liegt bei 20-100 Mikrogramm pro Tag (0,00002 – 0,0001 g/d).

Höhere Aufnahmemengen von Chrom(III) sind jedoch schädlich. Leber-, Nieren- und Kreislaufschäden drohen. Deshalb ist die Konzentration von Chrom im Trinkwasser begrenzt. Sie beträgt in Deutschland bei 0,01 mg/l (MKZW = Maximaler Kontaminationswert, d.h. der Wert, bei dem man relativ sicher keine Schäden bei gesunden erwachsenen Menschen erwartet). Chrom(VI) ist hoch giftig, allergisierend und wird als krebserzeugend eingestuft. Vergiftungserscheinungen sind Entzündungen der Schleimhaut, Geschwüre und Ekzeme sowie Allergien. In Deutschland gelten deshalb Grenzwerte für Chrom(VI)-Verbindungen in Materialien. Der krebserregende Effekt von Chrom(VI) folgt aus dem Umstand, dass das kleine Chromation die Zellmembran durchdringen und so in der Zelle Schäden verursachen kann. Im Körper bzw. in der Zelle kann Chrom(VI) zu Chrom(III) reduziert werden. Hierdurch kann sich Chrom(III) im Zellgewebe anreichern und DNA-Protein-Komplexe bilden, die zu Mutationen führen können.

In vielen alltäglichen Gebrauchsgegenständen wird immer wieder Chrom(VI) gefunden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fand bei Messungen des Chrom(VI)-Gehalt in Lederprodukten die höchsten Belastungen in Handschuhen, Schuhen und in Lederbekleidung. Bei einigen Untersuchungen wurde in mehr als der Hälfte der geprüften Produkte Chrom(VI) in teilweise gesundheitlich relevanten Mengen nachgewiesen. Im März 2007 hatte die Zeitschrift markt 20 Paar Kinderschuhe prüfen lassen. Jeder fünfte untersuchte Schuh war zu hoch mit Chrom(VI) belastet, darunter auch mehrere Markenprodukte.

ALLERGIEN

Mehr als eine halbe Million Menschen reagieren in Deutschland sensibel auf Chrom. Gemessen an der Häufigkeit des Auftretens von Sensibilisierungen zählt Chrom(VI) zu den wichtigsten Allergenen. Eine Studie des „Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken zur Erfassung und wissenschaftlichen Auswertung der Kontaktallergien“ (IVDK) im Jahr 2004 zeigt, dass 5,3 % der Patienten aus Hautkliniken auf Chrom(VI) sensibel reagierten. Chrom(VI) nahm den fünften Platz unter den häufigsten Allergene ein. Mehr als 500.000 Fälle waren betroffen. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (UBA) werden Sensibilisierungsquoten bis 1 % als noch akzeptabel erachtet, ab etwa 2 % besteht Grund zur Besorgnis, bei über 3 % sieht das UBA ein ernsthaftes Problem. Weltweit verursacht die Chromgerbung verhehrenden Umweltbelastungen und zerstört die Gesundheit und den Lebensraum von Millionen Menschen, Tieren und Pflanzen.

Chrom liegt auf Platz 3 in der Liste des Blacksmith Institute in New York der ‘Top toxic threats’ (Hauptgiftrisiken). 7,3 Mio. Menschen sind nachweislich von Gesundheitsrisiken durch Chrom betroffen. 75 % der durch Chrom belasteten Orte liegen in Südasien. Die hohe Zahl an belasteten Orten in dieser Weltregion wird auf die große Dichte von Gerbereien zurückgeführt, von denen viele über unzureichende Umweltschutzmaßnahmen verfügen. Insgesamt wird die Zahl der Menschen, die unter Umweltbelastungen durch Chrom leiden, auf 13-17 Mio. geschätzt. Chrom(VI) kann unterschiedliche Krebsarten auslösen. Je nach Aufnahmepfad kann es Lungenkrebs, Krebserkrankungen des Verdauungssystems oder der Haut hervorrufen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellte in der Region Hazaribagh in Bangladesh bei 8.000 Gerbereiarbeitern solche Krebserkrankungen fest. Außerdem kann das Immunsystem geschädigt und die Fortpflanzungsfähigkeit sowie die Embryonalentwicklung gestört werden. Zwar gilt Chrom(III) als weniger gesundheitsgefährdend als Chrom(VI), aber Untersuchungen in Indien haben ergeben, dass Menschen die dauerhaft, z. B. im beruflichen Umfeld, Chrom(III) ausgesetzt sind, Schädigung der Lymphozyten-DNA aufweisen. Außerdem kann eine Anreicherung von Chrom im Körper zu einer Schädigung des Eisenstoffwechsels führen, was das Blutbild negativ beeinflusst.

In der Liste der am meisten verschmutzten Orte auf der Welt, die von der “Polluted Place Initiative” zusammengestellt wurde, steht die Region um Ranipet in Indien unter den “Top 10″. Hier haben Gerbereiabfälle, u.a. Chrom-Verbindungen, Boden und Wasser so stark verunreinigt, dass 3.500.000 Menschen gesundheitlich gefährdet sind.

Die Wege, über die das Chrom in die Umwelt und weiter in den menschlichen Körper gelangt und dort Schäden verursachen kann, sind vielfältig.

UMWELT

Abwässer und Abfälle der Chromgerbung sind auch in Industrieländern nicht ohne Probleme zu entsorgen, weil sich Schwermetalle in Böden anreichern und sie für die Landwirtschaft unbrauchbar machen. Chromhaltige Abwässer sind vor allem dort, wo eine Abwasserbehandlung nach dem aktuellen Stand der Technik nicht gegeben ist, ein Problem. Chrom gelangt mit den Gerbereiabwässern in Bäche, Flüsse, Seen und Böden. Als Trinkwasser wird es von Menschen direkt genutzt oder Pflanzen und Tieren nehmen es auf und es erreicht über die Nahrungskette wieder die Menschen. Betroffen davon sind – wie so oft – die ärmsten Menschen, denen keine Alternativen zum verschmutzten Wasser und der giftigen Nahrung zur Verfügung stehen.

In Deutschland gelten relativ strenge Regeln für die Behandlung von Abwasser und den Umgang mit entstehendem Klärschlamm. Die Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, die im Sinne einer ökologischen Kreislaufwirtschaft sinnvoll wären, ist nur für Schlämme erlaubt, die weniger als 900 mg Chrom pro kg Trockenmasse enthalten. Zusätzlich darf der Boden nicht mehr als 100 mg Chrom pro kg Bodentrockenmasse enthalten. Das Ausbringen auf Gemüse- und Obstanbau, in Naturschutz- und Wasserschutzgebieten ist verboten.

Bei der Verbrennung von chromhaltigen Lederabfällen kann aus Chrom(III) das hochgiftige Chrom(VI) werden. Chromhaltige Lederabfälle entstehen bei der Produktion von Lederwaren, Schuhen, Lederbekleidung oder Polstern
z. B. als Zuschnittreste. Am Ende des Gebrauchs wird jedes dieser Produkte selbst zum Abfall. Die Verbrennung von chromgegerbten Lederabfällen birgt das Risiko, dass hierbei Chrom(III) in das hochgiftige Chrom(VI) umgewandelt werden kann. Zum Teil wird dieses von modernen, effektiv arbeitenden Rauchgasreinigungsanlagen aus den Abgasen der Müllverbrennungsanlagen herausgefiltert. Nicht ohne Grund wehren sich aber auch in Deutschland Anwohner von Müllverbrennungsanlagen gegen deren Betrieb, weil diese optimalen Bedingungen nicht immer gewährleistet sind. In Produktionsländern von Leder wie Indien werden die Lederabfälle nicht selten unter freiem Himmel verbrannt. Giftiger Rauch schädigt die Arbeiter ebenso wie die Menschen in der Umgebung von Gerbereien.

QUELLEN

(letzter Zugriff 20.-29.1.2011)

  1. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Assessment Manual: Heavy Minerals of Economic Importance, Hannover, 11.11.2010
  2. Bundesinstitut für Risikobewertung: Stellungnahme Nr. 017/2007 des BfR vom 15. September 2006, „BfR empfiehlt, Allergie auslösendes Chrom (VI) in Lederprodukten streng zu begrenzen“
  3. WDR Sendung MARKT vom 21. Mai 2007, Kinderschuhe: Gefährliche Gerbstoffe
  4. Klärschlammverordnung (AbfKlärV) vom 15. April 1992 (BGBl. I S. 912), in der zuletzt geänderten Fassung vom 9. November 2010 (BGBl. I S. 1504)
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